Auch Bauträger können auf Mindestlohn und Urlaubskassenbeiträge haften!

    • Baurecht
    • Architektenrecht

BAG, Urteil vom 16.05.2012 - 10 AZR 190/11

Sachverhalt

Ein Bauträger hatte ein deutsches Unternehmen mit der Ausführung von Rohbauarbeiten beauftragt. Dieses Unternehmen hatte wiederum einen polnischen Nachunternehmer eingesetzt. Dieser nahm zwar am Urlaubskassenverfahren der Bauwirtschaft  teil, zahlte jedoch nicht alle Beiträge vollständig. Daraufhin nahm die Urlaubskasse (ULAK) den Bauträger nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) nach der sogenannten „Bürgenhaftung“ auf Zahlung der offenen Differenzen in Anspruch.

Der Bauträger vertrat vor Gericht die Auffassung, er hafte nach dem AEntG nicht, da er wie ein klassischer Bauherr zu behandeln sei, der nicht von den Regelungen des AEntG erfasst werde.

Entscheidung

Dies sieht das BAG anders und verurteilt den Bauträger. Zwar sei zutreffend, dass nach einer Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2007 Bauherren keine Unternehmer i. S. d. AEntG sind, also auch nicht gegenüber der Urlaubskasse oder Arbeitnehmern wie ein Bürge auf Differenzbeträge bzgl. der Urlaubskassenbeiträge oder des Mindestlohnes haften. Allerdings sei ein Bauträger nicht in diesem Sinne Bauherr, denn ein Bauträger errichtet Gebäude, um sie während oder spätestens nach Abschluss der Bauarbeiten gewinnbringend zu veräußern. Die Situation des Bauträgers sei also nach der Auffassung des BAG derjenigen des Generalunternehmers angenähert. Der Unterschied bestehe lediglich darin, dass der Generalunternehmer in aller Regel auf einem fremden Grundstück (meistens auf dem Grundstück des Bauherrn) baut, während der Bauträger noch Eigentümer des Grundstücks ist und dieses erst später veräußert bzw. in Wohnungseigentum aufteilt. Damit unterfalle der Bauträger nach Auffassung des BAG aber dem Schutzzweck des AEntG, wonach Generalunternehmer dazu verpflichtet werden, für etwaige ausstehende Lohnforderungen der Arbeitnehmer ihrer Nachunternehmen (und deren Nachunternehmen) einzustehen, sowie die Zahlung der Urlaubskassenbeiträge zu sichern.

Hinweise

Bauträgern muss spätestens nach diesem Urteil bewusst sein, dass sie für Mindestlohnforderungen in der sogenannten „Nachunternehmerkette“ ebenso haften wie für nichtgezahlte Urlaubskassenbeiträge eines dieser Nachunternehmen. Das Risiko, in Haftung genommen zu werden, kann demnach nie gänzlich ausgeschlossen, sondern allenfalls verringert werden. Hierzu können diesbezügliche Regelungen in die Verträge mit den Bauunternehmen aufgenommen werden, wie beispielsweise die Zusicherung, den Mindestlohn nachweislich zu zahlen und die Urlaubskassenbeiträge abzuführen sowie entsprechende Freistellungsklauseln. Dies kann für den Fall des Verstoßes mit einem außerordentlichen Kündigungsrecht vertraglich sanktioniert werden. Zudem sollten sich Bauträger von den jeweiligen Unternehmen aktuelle Unbedenklichkeitsbescheinigungen übergeben lassen. Ferner sollte die Verpflichtung aufgenommen werden, dass die beauftragten Unternehmen gleichlautende Klauseln in den weiteren Nachunternehmerverträgen mit aufnehmen.

Eine direkte Inanspruchnahme des Bauträgers kann dennoch nie vollständig vermieden werden, erst recht nicht, falls ein Vertragspartner des Bauträgers insolvent wird.

Thorsten Krull
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Rechtsgebiet
Privates Baurecht
Rechtsgebiet
Architektenrecht