Leitsätze des BGH

BGH, Urteil vom 04.04.2014, Az. V ZR 168/13

1.  Macht die Wohnungseigentümergemeinschaft Beitrags- oder Schadensersatzansprüche gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer gerichtlich geltend, sind die ihr entstehenden Prozesskosten gemäß § 16 Abs. 2 WEG von allen Wohnungseigentümern zu tragen; eine Freistellung des obsiegenden Wohnungseigentümers gemäß § 16 Abs. 8 WEG kommt nicht in Betracht.

2.  Der Wirtschaftsplan kann nach der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung durch einen Zweitbeschluss ersetzt werden, wenn Zweifel an seiner Wirksamkeit bestehen; nichts anderes gilt für den Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage als Ergänzung des Wirtschaftsplans.

Sachverhalt

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, in deren Anlage ein Hotel betrieben wird.

Im Rahmen der Eigentümerversammlung am 05.05.2007 wurde eine Sonderumlage für Brandschutzmaßnahmen beschlossen. Am 17.05.2008 wurde ein Beschluss über die Erhebung einer weiteren Sonderumlage für die Sanierung der Hotelküche gefasst.

Die Maßnahmen sind im Jahr 2009 ausgeführt worden.

Alle Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Klägers zahlten ihren Anteil an den Sonderumlagen.

Eine gegen den Kläger gerichtete Klage der Gemeinschaft auf Zahlung des auf seine Wohneinheiten entfallenden Anteils ist vom Landgericht rechtskräftig in einem Vorprozess mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die Beschlüsse über die Erhebung der Sonderumlage wegen mangelnder Bestimmtheit als nichtig angesehen werden müssen. Die Kosten dieses Rechtsstreits sind der Wohnungseigentümergemeinschaft auferlegt worden.

In der anschließenden Eigentümerversammlung im Mai 2010 wurde die Jahresabrechnung 2009 beschlossen. Im Rahmen dieser Abrechnung sind die Kosten des vorangegangenen Rechtsstreits auf alle Wohnungseigentümer anteilig gemäß dem Verteilerschlüssel der Teilungserklärung umgelegt worden. Darüber hinaus sind aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts im Vorprozess erneut Beschlüsse über die Erhebung der Sonderumlage für die Brandschutzmaßnahme und für die Küchensanierung jeweils auf Basis der Miteigentumsanteile gefasst worden.

Gegen diese Beschlüsse ist der Kläger im Wege der Anfechtungsklage vorgegangen. Die Anfechtungsklage ist vom zuständigen Amtsgericht abgewiesen worden. Mit der in der Folge ergangenen Berufungsentscheidung ist der Beschluss hinsichtlich der Jahreseinzelabrechnung und Belastung mit den anteiligen Kosten für den Rechtsstreit aufgehoben worden.

Darüber hinaus hat das Landgericht die Beschlüsse über die Sonderumlage der Brandschutzmaßnahmen und der Küchensanierung für nichtig erachtet und der Berufung insoweit stattgegeben.

Die von der Beklagten eingelegte Revision richtet sich gegen das landgerichtliche Berufungsurteil und begehrt die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils, mit dem die Anfechtungsklage vollumfänglich abgewiesen worden ist.

Hintergrund

Hintergrund der vorliegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes sind zwei Problemkomplexe:

Zunächst war die Frage zu beantworten, ob der einzelne Wohnungseigentümer an den Kosten eines Rechtsstreits des Verbandes der Wohnungseigentümer beteiligt werden kann, auch wenn er im Rechtsstreit als Partei auf der Gegenseite obsiegt hat.

Darüber hinaus hatte der Bundesgerichtshof die Frage zu klären, ob den Wohnungseigentümern noch die Beschlusskompetenz gemäß § 28 Abs. 5 WEG, über die bereits einmal für nichtig erklärte Maßnahme hinaus einen erneuten Beschluss zu fassen, der dem Eigentümerverband ermöglicht, die bereits erfolgten Zahlungen der Wohnungseigentümer weiterhin zu vereinnahmen, zusteht.

Entscheidung

Die Revision der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte vollumfänglich Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass es sich bei den Kosten der Rechtsverfolgung, die im Rahmen der Verbandsklage entstehen, um Kosten der Verwaltung i. S. d. § 16 Abs. 2 WEG handelt und diese somit von der Gemeinschaft anteilig zu tragen sind.

Der Bundesgerichtshof hat zur Begründung ausgeführt, dass § 16 Abs. 8 WEG teleologisch reduziert werden müsse. Der Wortlaut des § 16 Abs. 8 WEG i. V. m. § 43 WEG erfasse aufgrund sprachlicher Defizite Konstellationen, die vom Gesetzgeber erkennbar nicht umfasst werden sollen.

§ 16 Abs. 8 WEG sei daher so zu lesen, dass von diesem jedenfalls dann die Prozesskosten nicht erfasst werden, wenn diese aufgrund eines Beitrags- oder Schadensersatzanspruches der Wohnungseigentümergemeinschaft entstanden seien.

Der Bundesgerichtshof hat daher die in der Fachliteratur bestehende Streitfrage beantwortet und klar festgehalten, dass für die Fälle, in denen die Gemeinschaft mit Prozesskosten, die infolge eines Prozesses hinsichtlich Schadensersatzansprüchen oder Beitragsansprüchen entstanden sind, belastet wird, diese von allen Mitgliedern des Verbandes anteilig zu tragen sind.

Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof festgehalten, dass ein für nichtig erklärter Genehmigungsbeschluss erneut gefasst werden kann.

Der Bundesgerichtshof hat darüber hinaus dem Verband die Kompetenz zugesprochen, über die bereits einmal als nichtig erkannten Beschlüsse erneut zu beschließen.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Jahresabrechnung nicht an die Stelle des Wirtschaftsplanes trete, sodass der Wirtschaftsplan auch nach einer erfolgten Beschlussfassung über die Jahresabrechnung nochmals ersetzt werden könne, wenn Zweifel an dessen Wirksamkeit bestehen würden.

Nichts anderes - so der BGH - müsse daher für den Fall der Sonderumlage gelten, da eine Sonderumlage als Ergänzung eines Wirtschaftsplanes angesehen werden müsse.

Der Verband hatte daher die Möglichkeit, die in dem vorangegangenen Rechtsstreit mit dem Wohnungseigentümer durch das Landgericht festgestellte Nichtigkeit der Beschlüsse zu heilen, indem ein neuer Beschluss gefasst wird. Der Verband konnte somit die Rechtsgrundlage dafür schaffen, dass er die bereits eingezogenen Gelder von den übrigen Wohnungseigentümern weiterhin behalten darf.

Es ist auch nichts daran auszusetzen, dass entsprechend inhaltsgleiche Beschlüsse gefasst worden sind. Insgesamt sind daher die Beschlüsse nicht zu beanstanden.

Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, da hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit der Beschlüsse zur Sonderumlage und Sanierung der Küche sowie zu den ebenfalls vorgebrachten Anfechtungsgründen bislang keine abschließende Stellungnahme erfolgt ist.

Anmerkung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist zu begrüßen.

Im Hinblick auf die Klärung der Sonderumlage hat der Bundesgerichtshof klarstellend hervorgehoben, dass der Wirtschaftsplan durch die Jahresabrechnung nicht gegenstandslos wird und somit der Gemeinschaft das Recht zugesprochen werden muss, im Falle von Fehlern später nachbessern zu können, ohne dass die Gemeinschaft verpflichtet wird, sämtliche Zahlungen an die Wohnungseigentümer zurückzuerstatten.

Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass aufgrund der besonderen Verbindung im Rahmen des Verbandes der Wohnungseigentümer alle Mitglieder dieses Verbandes auch an entsprechenden Kosten des Verbandes partizipieren müssen.

In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof klargestellt, wie der § 16 Abs. 8 WEG zukünftig zu lesen sein wird, sodass hier für die Zukunft Rechtsklarheit geschaffen worden ist, da der Bundesgerichtshof nun die streitigen Fragen zu diesem Komplex abschließend einer Klärung zugeführt hat.