Bezugsrecht einer Lebensversicherung trotz Erbausschlagung – BGH konkretisiert § 160 VVG

    • Erbrecht

BGH (XII. Zivilsenat), Beschluss vom 23.07.2025 – XII ZA 16/25

Wird im Versicherungsvertrag bestimmt, dass die Leistung im Todesfall an die „Erben“ des Versicherungsnehmers erfolgen soll, gelten diejenigen als bezugsberechtigt, die zum Zeitpunkt des Todes gesetzliche oder testamentarische Erben sind – und zwar im Verhältnis ihrer Erbteile. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Personen die Erbschaft später ausschlagen. Die Bezeichnung „Erben“ dient allein der Identifikation der Anspruchsberechtigten; das Bezugsrecht bleibt unabhängig von der Annahme der Erbschaft bestehen (§ 160 Abs. 2 Satz 2 VVG).

Nach dem Tod des Erblassers schlugen zunächst seine beiden Kinder, dann seine beiden Schwestern und schließlich seine Mutter die Erbschaft aus. Das Nachlassgericht setzte daraufhin einen Nachlasspfleger ein mit dem Wirkungskreis: „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses“.

Der Erblasser hatte eine Unfallversicherung mit einer Todesfallsumme von 6.000 €. Als Bezugsberechtigte hatte er seine „gesetzlichen Erben“ bestimmt.

Der Versicherer lehnte die Auszahlung ab, mit der Begründung, dass die Todesfallleistung nicht in den Nachlass falle und nur an gesetzliche Erben, die die Erbschaft nicht ausgeschlagen haben, ausgezahlt werden könne. Eine Auszahlung an den Nachlasspfleger komme daher nicht in Betracht.

Der Nachlasspfleger regte beim Amtsgericht die Anordnung einer Pflegschaft für unbekannte Beteiligte (§ 1882 BGB) an, um den Versicherungsanspruch „in den Nachlass zu ziehen“.

Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen, weil es weder eine ausreichende Unsicherheit über die Beteiligten (§ 1882 Satz 1 BGB) noch ein Fürsorgebedürfnis sah. Alle bekannten gesetzlichen Erben hätten die Erbschaft bereits ausgeschlagen, sodass eine gesetzliche Erbfolge (außer durch den Staat) faktisch ausgeschlossen sei. Zudem sei der Nachlass – selbst unter Einbeziehung der Versicherungssumme – überschuldet, was ebenfalls gegen ein Fürsorgebedürfnis spreche.

Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass bei einer Unfallversicherung mit vereinbarter Kapitalzahlung die Regelungen der §§ 159 und 160 VVG anzuwenden sind. Hat der Versicherungsnehmer als Bezugsberechtigte „seine gesetzlichen Erben“ benannt, gelten im Todesfall diejenigen als bezugsberechtigt, die zum Zeitpunkt des Todes gesetzlich zur Erbfolge berufen waren – unabhängig davon, ob sie die Erbschaft später ausschlagen.

Im vorliegenden Fall waren dies die beiden Kinder des Erblassers, die trotz Ausschlagung der Erbschaft weiterhin Anspruch auf die Todesfallleistung haben. Das Bezugsrecht besteht allein zur Individualisierung der Berechtigten und ist nicht vom tatsächlichen Erbantritt abhängig (§ 160 Abs. 2 Satz 2 VVG).

Da die Bezugsberechtigten feststehen, liegt keine „Ungewissheit über die Beteiligten“ im Sinne des § 1882 Satz 1 BGB vor. Eine Pflegschaft für unbekannte Beteiligte ist daher nicht erforderlich.

Sebastian Weiß
Fachanwalt für Erbrecht Fachanwalt für Familienrecht